Unser Auftrag: „Wir wollen, dass möglichst viele Menschen auf kreative Art und Weise der Liebe Gottes begegnen!“
Meine Gedanken dazu: Haben wir diesen Auftrag eigentlich noch wirklich aktiv im Blick? Leben wir diesen Auftrag? Was tun wir dafür, dass es „möglichst viele“ Menschen werden? Was tue ich dafür? Laden wir / lade ich ausreichend genug andere Menschen ein? Sind wir überhaupt noch so kreativ wie wir angeblich sein wollen? Wollen wir eigentlich viele neue Menschen bei uns in der Gemeinde? Neues sorgt ja auch immer dafür, dass Altes aufgegeben werden muss.
Unsere Probleme: Immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus. Das bedeutet, wir haben weniger Geld. Gleichzeitig haben wir zu viele und zu große Gebäude. Mit unserem Altbau, dem Neubau, dem Kindergarten Schellingstrasse, dem Kindergarten Wartburgstrasse und dem Pfarrhaus haben wir insgesamt 5 große Gebäude für deren Instandhaltung wir verpflichtet sind. Dafür müssten wir mehr Geld zurücklegen als wir überhaupt haben. Wir können unseren Verpflichtungen also nicht mehr nachkommen. Aus diesem Grund wurde uns als Gemeindeleitung ein sogenanntes „Haushaltssicherungskonzept“ nahe gelegt, übersetzt: eine finanzielle Bankrotterklärung.
Meine Gedanken dazu: Weniger Geld bedeutet, dass man sich weniger leisten sollte. Vor allem im Personalbereich, da dieser in der Regel die höchsten Kosten in einer Kirchengemeinde verursacht. Wir leisten uns jedoch sogar mehr Personal. Und das mit voller Absicht. Als Gemeinde sind wir davon überzeugt, dass es nur Menschen sein können, die anderen Menschen von Gottes Liebe erzählen können. Keine alten Mauern, keine Gebäude, keine Orgeln und keine Mieteinnahmen können diesen Auftrag erfüllen. Es sind nur die Menschen, die das können. Deswegen leisten wir uns 1,5 Gemeindediakonen-Stellen in unserer Gemeinde, obwohl uns eigentlich nur 0,25 Stellen zustehen. 1,5 Stellen statt 0,25 Stellen. Das ist das mehr als das 5-fache, von dem was wir uns eigentlich leisten können. Mit Peter Unger und Guilia Arnold haben wir zwei so kreative und begeisternde Menschen, die es beide auf ihre beeindruckende Weise verstehen, Menschen zu begeistern und für Gott zu gewinnen. Genau das wollen wir und genau das brauchen wir! Also leisten wir sie uns! Wir investieren in Menschen, nicht in totes Mauerwerk.
Um das tun zu können müssen wir auf andere Dinge verzichten. Anders haben wir als Gemeinde mittel- und langfristig keine Chance mehr zu überleben. Wir müssen uns von unseren Gebäuden trennen. Am einfachsten fällt dies natürlich beim Kindergarten Schellingstrasse und dem Pfarrhaus. Daran arbeiten wir bereits. Aber dabei wird es nicht bleiben können. Grundsätzliche Dinge werden sich ändern müssen. Ein Perspektivwechsel muss stattfinden. Benötigen wir unser riesiges Kirchgebäude bestehend aus Alt- und Neubau noch? Wenn ja, wozu? Wochentags ist es hier größtenteils leer. Was würde von unserer Gemeinde eigentlich noch bestehen bleiben, wenn es unser Kirchgebäude nicht mehr gäbe? Mit dieser Frage beschäftige ich mich seit langem. Wo könnten wir unsere Gottesdienste alternativ feiern? In der Werkstadt, im Saalbau, im Burg-Kino, im Haus Witten? Warum eigentlich nicht?
Alternativ könnten wir aber auch versuchen, unseren Standort zu stärken und unserem Stadtviertel einen neuen Mittelpunkt zu verschaffen. Ein offenes und lebendiges Haus, in dem Angebote für alle Ziel- und Altersgruppen stattfinden. Gemeindefeste, Bingo-, Karaoke- und Live-Musik-Abende, Trauercafé, Beratungen, Fussballübertragungen, Spieleabende, Skat-, Poker- oder Rommé-Clubs, Filmvorführungen, Gesprächsabende… kreativen Ideen wären hier keine Grenzen gesetzt. Kreativ…war da nicht mal was?!
Wir stehen vor einer wichtigen Entscheidung. Bildlich gesprochen steht unsere Gemeinde aktuell an einer T-Kreuzung. Einfach geradeaus fahren und nichts verändern geht nicht mehr, da ist der Weg zu Ende. Wir können nur nach links oder rechts. Trennen wir uns von unseren Gebäuden und ggf. auch von unserem Standort und versuchen unsere Gemeinde, den Spirit, den Geist, die Bewegung und unser Alleinstellungsmerkmal an anderer Stelle fortzuführen? Oder stärken wir unseren Standort, in dem wir ihn zu neuem Leben erwecken, seine tolle Lage innerhalb des Stadtviertels ausnutzen und zu einem neuen Treffpunkt für Jung und Alt gestalten. Beide Wege beanspruchen viel Arbeit. Einfach ist keiner der beiden Wege. Und wenn wir einmal einen der beiden Wege eingeschlagen haben, dann müssen wir ihn auch alle gemeinsam gehen, sonst wird es nicht klappen.
So oder so, die nächste Zeit wird richtungsweisend für unsere Gemeinde werden. Im Februar wird ein neues Presbyterium gewählt. Dort werden Menschen benötigt, die in und für diese wegweisende Zeit Verantwortung übernehmen wollen. Menschen mit einer Vision, mit Mut und mit Lust auf Veränderung. Ich hoffe und bete dafür, dass wir diese Menschen finden.
Sebastian Schüler